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Was bringt generative KI im Manufacturing? Ein Expertengespräch

1. Juli 2024
Welche Bedeutung hat generative künstliche Intelligenz für die produzierende Industrie? Im Gespräch loten die beiden Swisscom Experten Michael Rieger und Hanspeter Groth Möglichkeiten und Grenzen aus und bieten Einstiegshilfen für Unternehmen.

In diesem umfassenden Interview diskutieren Michael Rieger (links im Artikelbild) und Hanspeter Groth (rechts im Bild) die Einsatzmöglichkeiten und die Auswirkungen von generativer KI (generative AI) in der produzierenden Industrie. Denn generative KI kann eigenständig neue Inhalte und Lösungen aufzeigen. Dies eröffnet Chancen für kreative und innovative Ansätze.

Die Vorteile generativer KI in der Produktionsindustrie sind vielfältig – von Chatbots, die spezifische Montageanweisungen liefern über die Verbesserung des Forecasts bis hin zur Unterstützung im HR. Beispiele, die zu einer Verbesserung der Produktqualität und der Effizienz führen können.

Doch trotz des Potenzials für Automatisierung und einer Effizienzsteigerung bleibt menschliche Expertise weiterhin von zentraler Bedeutung. Das gilt vor allem für die Interpretation der von der KI gelieferten Ergebnisse als auch für die erfolgreiche Implementierung von KI-Projekten. Eine ganzheitliche Strategie und die passende Governance sind deshalb entscheidend.

Text: Andreas Heer, Martina Longo | Media: Swisscom

 

Über die Experten

Hanspeter Groth ist Ingenieur mit langjähriger Erfahrung in der produzierenden Industrie und Industry Leader für Manufacturing bei Swisscom.

Michael Rieger ist technischer Stratege im CTO-Büro von Swisscom, wo er neue Technologien auf ihre Auswirkungen auf die Telekommunikations- und ICT-Branche bewertet.

 

Künstliche Intelligenz, vor allem generative KI, ist das Schlagwort der Stunde. Wie sieht die Situation eigentlich in der produzierenden Industrie aus?

Hanspeter Groth: KI ist kein neues Thema. Ich kenne kein Industrieunternehmen, das KI nicht nutzt. Aber halt als klassische KI, um beispielsweise die Lagerbestände nach Bedarf und Nachfrage dynamisch anzupassen oder um weitere Vorhersagen zu treffen. Retailunternehmen etwa berücksichtigen die Wetterprognosen, um die Glacebestände in den Läden zu planen. Hier kommen KI-Modelle zum Einsatz, die das Unternehmen selbst trainiert und in die eigenen Prozesse integriert hat.

Mit generativer KI kommt jetzt der nächste Schritt. Mich würde interessieren, wie sich das abgrenzen lässt.

Michael Rieger: Das lässt sich gut unterscheiden. Wie du ausgeführt hast, haben Unternehmen klassische KI angewandt, um aus vorhandenen Datenmustern Prognosen zu erstellen. Generative KI unterscheidet sich durch die Fähigkeit, eigenständig neue Inhalte zu erzeugen, statt nur vordefinierte Aufgaben zu automatisieren oder auf vorherige Daten zu reagieren. Diese Fähigkeit ermöglicht es generativer KI, Menschen in ihrer Kreativität zu unterstützen, indem sie Ideen liefert, Routineaufgaben übernimmt und kreative Prozesse beschleunigen kann. Mit klassischer KI ist dies nur eingeschränkt möglich.

Groth: Das hiesse zum Beispiel, dass ich für die Planung nicht nur interne Daten nehme, sondern noch weitere Daten beiziehe? So könnte ich die Mitbewerber und Markttrends analysieren und daraus eine ganz neue Prognose generieren, was mit klassischer KI in dieser Form nicht ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Aber das bedingt trotzdem, dass ich auf die benötigten Daten zugreifen und ihnen auch vertrauen kann. Um klassische KI-Modelle zu trainieren, musste ich meine Daten jeweils präzise aufbereiten und strukturieren. Ist das für generative KI nicht mehr nötig?

Rieger: Generative KI profitiert natürlich von strukturierten Daten, kann jedoch auch effektiv mit unstrukturierten Daten arbeiten. Tatsächlich sind generative KI-Modelle in der Lage, aus einer Vielzahl von Datenformaten wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen.  Etwas salopp ausgedrückt, hat man beispielsweise ChatGPT mit Inhalten aus dem Internet gefüttert, ohne die Daten strikt zu strukturieren. Das Resultat ist ein Modell, das eine Vielzahl von Sprachen und vor allem Themen abdecken kann, die ein einzelner Mensch wohl nicht abzudecken vermag.

Das zeigt, dass generative KI auch unter Einbezug von unstrukturierten Daten gute Ergebnisse liefern kann. Von diesem Unterschied profitieren Unternehmen enorm, weil die Mehrzahl der Daten eben in unstrukturierter Form vorliegen. Neue Daten, beispielsweise Social-Media-Beiträge, können direkt einfliessen, ohne dass sie vorher strukturiert werden müssen. Generative KI geht also ähnlich mit Informationen um, wie wir Menschen dies tun.

 

Wie schaut denn der Einsatz generativer KI in der Praxis aus?

Groth: Ich kann mir das folgende Anwendungsbeispiel vorstellen: Eine Firma stellt hunderte von Produkten her, die sich alle sehr ähnlich sind. Die Aufgaben für die Montagemitarbeitenden wechseln deshalb häufig. Alle Montageanweisungen liegen in Textform vor, also nicht besonders gut strukturiert. Bis jetzt mussten die Mitarbeitenden die richtigen Anleitungen suchen oder den Vorarbeiter fragen.

Mit generativer KI könnte ein Chatbot mit diesen Informationen trainiert sein, dem die Mitarbeitenden eine Frage stellen und Antworten in hoher Qualität erhalten. Was meinst du, Michael?

Rieger: Genau, das ist ein gutes Beispiel. Generative KI-Modelle sind bereits vortrainiert und beherrschen die menschliche Sprache erstaunlich gut. Diese KI-Modelle können zusätzlich mit spezifischem unternehmensinternem Wissen angereichert werden, in diesem Fall mit Montageanleitungen. Dieses Wissen kann von Mitarbeitenden in natürlicher Sprache über einen Chatbot abgefragt werden. Dieser kann bei einer guten Datengrundlage durchaus gute Ergebnisse liefern – auch, wenn die Daten zum Teil nur unstrukturiert vorhanden sind.

Das gilt nicht nur in der Manufacturing-Industrie, sondern ist in allen Branchen sehr wichtig. Ich denke beispielsweise an einen Kundendienst. Dort gibt es sehr viele unstrukturierte Daten, etwa aus E-Mails und Anrufen. Diese Informationen können von generativer KI direkt genutzt werden, ohne dass sie zuerst strukturiert werden müssen.

Groth: Was ich ebenfalls mitnehme, wenn ich nochmals aufs Thema Forecast zu sprechen komme: In der Vergangenheit habe ich in etwa gewusst, welcher Kunde in welcher Zeit wie viel kauft. So haben wir im Manufacturing klassischerweise während den letzten 20 Jahren den Forecast erstellt. Nun könnte ich einen Schritt weitergehen und den Forecast um eine Konkurrenzanalyse mit unstrukturierten Daten ergänzen. Ich schaue, was im Markt läuft und was ich im Internet und in Geschäftsberichten finde. Was meine Mitbewerber für Absätze haben, was sie planen und wo sie investieren, was meine Kunden beschäftigt und welche Trends es gibt, die einen Einfluss haben könnten. Alle diese Informationen kann ich jetzt zusammenziehen und mit generativer KI nutzen.

Natürlich muss immer noch jemand dabei mitdenken, ob ich den Informationen wirklich vertrauen kann, wie ich vorher schon angetönt habe. Aber generative KI kann dafür sorgen, dass ich effizienter und besser werde bei der Konkurrenzanalyse.

Rieger: Genau, generative KI unterstützt dort, wo Informationen aus verschiedenen Quellen zusammengezogen und interpretiert werden müssen. Vielleicht möchte ich die geopolitische Lage einordnen und wissen, ob ein Unternehmen deshalb ein guter Zulieferer ist oder ich potenziell in einen Engpass kommen könnte. Generative KI kann diese Daten verarbeiten, den Zusammenhang zwischen der geopolitischen Lage und meinem Zulieferer erkennen und als Anhaltspunkt festhalten. Das gibt mir die Möglichkeit, diesen Aspekt ebenfalls einzubeziehen, sollte ich diesen nicht bereits gekannt haben.

 

Lesen Sie das vollumfängliche Interview hier.

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