Was stand am Anfang dieses Projektes bzw. was gab den Ausschluss so ein Projekt zu starten?
Beat Bruderer: Uns war bekannt, dass wir in den nächsten Jahren diverse anlagetechnischen Erneuerungen vorantreiben müssen. So wollten wir das Momentum nutzen, um uns gerade im Bereich der Digitalisierung in der Produktion vorwärtszuentwickeln.
Ein solches Grossprojekt braucht sehr viele Ressourcen, welche einem 150-Mitarbeitenden Betrieb oft fehlen. Wieso haben Sie sich entschieden diesen Weg trotzdem zu beschreiten und wie wurden die Ressourcen dafür bereitgestellt?
Beat Bruderer: Auf Grund der Gegebenheiten der anstehenden Ersatzinvestitionen suchten wir eine Person, die die Umsetzung vorantreiben kann. Ein Betrieb unserer Grösse kann es sich aber nicht leisten, eine Vollzeitstelle nur für die Umsetzung der Digitalisierung zu schaffen. Aus diesem Grund wurde die Abteilung «Instandhaltung» organisatorisch neu ausgerichtet. So konnten wir Freiräume schaffen und den zusätzlichen Fachbereich Automation ohne Aufstockung von Personal sicherstellen. Zudem haben wir diverse Projekte mit externen Partnern realisiert.
Der Mitarbeitenden-Einbezug wird häufig als ein wichtiger, wenn nicht gar entscheidender Faktor einer erfolgreichen Grossprojekt-Umsetzung angesehen. Wie wurden die Mit-arbeitenden in den Prozess dieser Umstellung auf die digitalisierte Operational-Technology (OT)-Landschaft miteingebunden?
Beat Bruderer: Da das Umsetzungsprojektteam schlussendlich auch diejenigen sind, welche die Anlagen am Laufen halten müssen, kamen wir um eine Involvierung nicht herum. So wurde jeder Projektschritt mit Einbezug vom Personal geplant und realisiert. Die Anlagenbediener wurden frühzeitig geschult, an die neuen Aufgaben herangeführt und zusätzlich bei der Inbetriebnahme der jeweiligen Anlagen und Systemen eng begleitet.
Durch die Standardisierung der Systeme (Funktionen und Bedienungen sind bei jeder Teilanlage gleich), wurde das Verständnis nach jedem weiteren Umsetzungsschritt einfacher.
Wenn Sie auf die Umsetzung des Projektes zurückschauen, waren nun die Mitarbeitenden die grösste Herausforderung oder was waren die Hürden, die Sie bewältigen mussten?
Beat Bruderer: Die grösste Hürde bei der Umsetzung war der grosse zeitliche Aufwand, der betrieben werden musste, um das komplette Projekt in einer bestimmten Zeit auch umsetzen zu können. Zudem ist es eine Operation am offenen Herzen, sprich die Anlagen mussten nach jedem kleinen Eingriff wieder bis zum nächsten Revisionsstopp produzieren. Durch die gute technische Planung der Realisierungsphasen und Koordination mit den externen Partnern konnten die Anlagen jeweils immer planmässig und ohne grössere Probleme gestartet werden.
Welche Empfehlungen würden Sie heute einer anderen Firma mit auf den Weg geben, die sich einem solchen Projekt annehmen will?
Beat Bruderer: Dies kann eigentlich auf 3 wesentliche Punkte zusammengefasst werden:
- Strategie: Eine übergeordnete Digitalstrategie hilft das Gesamtkonzept des Projektes in einer guten Flughöhe zu visualisieren. Zudem ein frühzeitiges Augenmerk auf die nachfolgenden IT-Prozesse (wie Datenverarbeitung, Cockpit, Dashboard etc.) legen.
- Planung: Ein klarer Plan, den Weg zur Endlösung, erstellen und diesen möglichst strukturiert verfolgen (Achtung: Nicht alles ist planbar bei der Umsetzung!).
- Standardisierung: Eine saubere Standardisierung der eingesetzten Komponenten, Systeme und einem einheitlichen Bedienkonzept hilft der Umsetzungsgeschwindigkeit und Einführung. Zudem ist es hilfreich eine einheitliche OT-Grundstruktur aufzubauen und weitere übergeordnete Systeme nach und nach hinzu zu integrieren.
Das Thema Cyber-Security hat in der OT-Welt einen immer grösseren Stellenwert, bzw. die Gefahr, dass über die OT ein Angriff passieren kann, wird immer wahrscheinlicher. Wie treten Sie diesem Thema entgegen und welche Massnahmen werden/wurden dafür getroffen.
Beat Bruderer: In der Umsetzung haben wir bewusst den Entscheid gegen eine Cloud-Lösung gefällt und reduzierten die Schnittstellen auf ein Minimum. Uns war wichtig, dass der gesamte OT Bereich seitens Sicherheit gleichgestellt wie die IT ist, der OT Bereich von der IT abgekoppelt und als eigenständiges geschütztes Netzwerk funktioniert. Die Schnittstelle zu IT wird mittels Firewall geschützt und Direktzugriffe der IT-Tools werden unterbunden. Der Datenaustausch OT-IT findet über eine separate Datenbank statt.
Der digitale Weg wird weiter forciert und bleibt nicht bei der Anlageumsetzung stehen. Als «Digital von der Bestellung bis zur Auslieferung» haben Sie einen sehr durchgängigen Pfad festgelegt. Welche Elemente der digitalen Werkerführung setzen Sie ein und was haben diese für einen Mehrwert bei Sager?
Beat Bruderer: Zurzeit legen wir ein grosses Augenmerk auf die Standardisierung und Automatisierung sämtlicher Schritte vom Kunde bis zum Kunde. Dabei helfen uns unter anderem die Webshop- oder EDI-Anbindungen den Datenaustausch zu vereinfachen und Fehlerquellen zu minimieren. Als nächsten Schritt ist die Umstellung der bisherigen Produktionsplanung von Auftrags- auf Lagerbezogener Produktion geplant, wobei wir u.a. durch automatische Terminfindung die Losgrössen verbessert steuern können. Nicht zuletzt Optimieren wir die Prozesse des Kommissionierens und der Rechnungsstellung durch Digitalisierung der Rüstschein und automatisierte Rechnungsstellung nach Unterzeichnung des Lieferscheines. Weiter Arbeiten wir an zusätzlichen digitalen Dienstleistungen, welche einen Mehrwert für alle Anspruchsgruppen bieten.
Zum Abschluss: Welche drei Tipps geben Sie unseren Lesenden mit auf deren Weg der digitalen Transformation?
Beat Bruderer:
- Man digitalisiert nicht um Kosten zu sparen, sondern um zu überleben
- Aktiv und offen an das Thema «digitale Transformation» herantreten
- Agilität: Digitalisierung starten, permanentes Lernen und Verbesserungen anbringen